UND SCHMILZT DAS EIS

Zugefroren ist der See - wie die Gesichter, erstarrt im Glanz der kalten Lichter.
Und ich geh ...
Eiskalter Wind tut weh - zu dünn die Haut, um sich zu schützen und zu wärmen.
Und ich geh ...

Noch gibt es immer einen Tag danach, ein Sonnenstrahl berührt die Seele
und schmilzt das Eis.

Behäbig sitzt die Krähe auf dem kahlen Ast, Eis im Gefieder,
sie kennt keine Lieder.

Und ich geh...

Noch gibt es immer einen Tag danach, ein Sonnenstrahl berührt die Seele -
und schmilzt das Eis.

Kennst du den Duft von lauer Frühlingsluft nach einem langen Winter,
der Amsel Lied am Abend auf dem Dach?

Du siehst in off'ne Augen, verschlossen sind nicht mehr die Münder 
und deine Sinne werden wieder wach.

 


STADTRANDBLUES

Ich hab den Duft von frisch gemähtem Gras vergessen,
komm wohl zu selten aus der Stadt heraus.
Ich wohn im Grünen, sag ich oft vermessen
und meine die drei Pappeln hinterm Haus.

Heut kam ich bis zum Stadtrand, hatte 'nen Termin -
und plötzlich war mir vieles so vertraut...
Die Luft war schwer von Flieder und Jasmin,
hier machten nicht einmal die Kinder richtig laut.

Und auf den Stufen mancher Haustür in der Sonne,
da lagen träge wohlig schnurrend Katzen -
die wärmten sich ihr Fell und lauschten voller Wonne,
was Mutter Amsel mit den Nachbarn hat zu schwatzen.

Ich hab den Duft von frisch gemähtem Gras vergessen,
komm wohl zu selten aus der Stadt heraus.
Ich wohn im Grünen, sag ich oft vermessen
und meine die drei Pappeln hinterm Haus.

Dann seh ich Raps - ein Gelb, das gibts in keinen Träumen,
ich komme aus dem Staunen nicht heraus.
Es leuchtet hinterm Haus und hinter dichten Bäumen,
ich steh nur da und kenn mich in den Düften nicht mehr aus.

Ich hab den Duft von frisch gemähtem Gras vergessen,
komm wohl zu selten aus der Stadt heraus.
Ich wohn im Grünen, sag ich oft vermessen
und meine die drei Pappeln hinterm Haus.


WIE GEHTS?

 

Du hast mit dir zu tun. Was gehen dich die andren Leute an?
Die Alte, die alleine wohnt. Und die mit den fünf Kindern.
Die spielen, wer hat Angst vorm schwarzen Mann.
Dass der bei uns wohnt, sollte man verhindern!

Du hast mit dir zu tun. Wen kümmerts, ob die Welt sich dreht!
Und doch erwartest du, dass man dich fragt, wie's dir so geht.

Was gehen dich die andren Leute an?
Der ist behindert? Kannste auch nich ändern!
Doch alle sollen mit dir fühl'n, wenn mörderisch dir schmerzt der Zahn.
Dann brauchst DU Anteilnahme - am besten gleich aus allen Ländern.

Du hast mit dir zu tun. Wen kümmerts, ob die Welt sich dreht!
Und doch erwartest du, dass man dich fragt, wie's DIR so geht.


Dolleranz

Ich bin dollerand, müssen Sie nämlich wissen.

Und kann prinzipiell nicht verstehn, wenn andere das anders sehn.


Randgruppen? Dulde ICH ganz beflissen! Behinderte? Überhaupt kein Problem!
Ausländer? Führn doch hier ein ganz gutes Leb'n? Solln sie, ICH lass mich nich störn.
Sogar die Schwulen tun ja jetzt dazugehörn.

Ich bin so dollerand, müssen Sie nämlich wissen! Darauf könn' Sie glatt ne Fahne hissen!

Auch andere Ansichten darf jeder haben! Ok, ok, vielleicht nich gerade Schwaben ...

Na oder die Bayern, oder erst diese Hessen! Die Fischköpp und Preußen nich zu vergessen.
Die hamm enne Sprache, da grausts jeden Sachsn. Denen könntch reintreten in die Haxen! 

Ansonsten bin ich dollerand, sollten Sie nämlich wissn.

Gut - bis auf die Penner, die solln sich wirklich verpissen!

Da gibt mir sicher jeder recht. Da wirds einem ja schon vom Hinguggn schlecht.

Na, und diese Hartz IV-Schmarotzer! Diese Jammerer und Motzer.
Liegen auf der faulen Haut  - und wolln, dass der Staat ihnen Schlösser baut.

Doch isch BIN dollerand, das könnse wissn.

Selbst wenn Greise blutjunge Mädels küssen.
Aber Dolleranz hat auch bei mir ihre Grenzen!
Und die hab ich bei schlappen Schwänzen.
Bei
Fitnessprolls und dicken Bürgern, bei Sex zu dritt und bulämischen Würgern.
Bei roten Liedern und Diäten, bei Technoparties und Naturkostläden! 
Bei Blasmusik und Klampfengedudel, bei Dominas und ner Transennudel.

Bei Ökotussen und Ladendieben, und auch beim Versprechen 'Werd ewig dich lieben'.
Bei Fernsehserien, und Wohncontainern. Bei Opernarien, bei Yogatrainern.
Bei Managern und Geldberatern. Bei Katzenhaaren! (auch bei denen von Katern)
Bei Violin- und Hupkonzerten. Bei Schweißgerüchen. Und Damenbärten!
Bei frommen Helenen, aggressiven Emanzen. Bei Modetussis und Landpomeranzen.

 

Doch ich bin dollerant. Das müssen Sie wissen! Hab mir noch NIE das Maul zerrissen.

Gut, ein spöttisches Lächeln, ein verächtlicher Blick - die Braue am Scheitel bricht keinem das Genick.
Und wer kennt ein sanfteres Ruhekissen als so ein richtig gutes Gewissen?
Jeden nehm ich so wie er is. Auf die Schippe am liebsten, hehe, bin ich jetzt fies? :-D

Ich bin dollerant, müssen Sie nämlich wissen.
Und kann prinzipiell nich verstehn, wenn andere das anders sehn.
Das mit der Dolleranz, mein ich. Na Sie wissen ...



Knäckebrot und leergut

 

Gut. Schon möglich, dass vom vielen Schmunzeln
sich vertiefen und verschärfen meine Runzeln.

Doch gesteh ich ehrlich - nennt mich ruhig Alte!
Schmunzelrunzeln find ich herrlich.
Und sind lieber mir als die Zornesfalte.

Oder gar als Tränensäcke -
schlapp und aufgedunsen, von des Trübsinns Gram und bittrer Schwermut.


Ganz ohne Schmunzeln fühlst du dich verstaubt und abgelegt.
Wie Knäckebrot und Leergut.